Geht Indonesiens Wirtschaft die Luft aus oder kommt nachhaltiges Wachstum?
In den letzten Monaten überschlugen sich die Medien und Analysten mit Lobliedern auf das Wachstum der Inselrepublik Indonesien.
Konstant wachsendes Bruttoinlands-
produkt, schier unendliche Rohstoffe, stabile Zinsen, steigende Börsenkurse, ideale Chancen für Anleger und Investoren. Solche und ähnlich lautende Meldungen waren beinahe täglich zu lesen. Eine objektive Berichterstattung war hier schwer zu finden und somit konnten sich Unternehmer und Indonesien-Interessiert nur schwer ein genaues Bild von der tatsächlichen wirtschaftlichen Lage Indonesien machen.
Nun schlägt die Gunst der Medien um. Berichtet wird über steigende Inflation, Einbruch der Börsen, Währungsverfall, Rückgang der Investitionen, ja sogar einer erneuten Asien-Krise ähnlich der Einbrüche der 90er Jahre. Interessant ist dabei, dass die Berichterstattung innerhalb weniger Wochen um 180 Grad gewendet hat und teilweise sogar (wahrscheinlich redaktionell bedingt) parallel die neusten Negativschlagzeilen zu den gewohnten Lobliedern erscheinen. Ist man wirklich an der echten Wirtschaftslage interessiert und möchte sich informieren ist diese Nachrichtenlage eher kontraproduktiv.
Die indonesische Realwirtschaft wächst
Dabei stellt sich die Frage, wie es der indonesischen Wirtschaft wirklich geht und was eigentlich der Realität entspricht. Wie alles hat auch die Wirtschaft Indonesiens zwei Seiten. Tatsache ist, dass diese seit Jahren konstant wächst. Dazu geben Indikatoren wie GDP, Inflationsrate klare Auskünfte. Allerdings zeigen diese Indikatoren kaum was sich in der Realwirtschaft abspielt bzw. geben nur zeitverzögert Preis wie sich der Markt entwickelt hat.
Indonesien verdankt den größten Teil seines Wachstums der Rohstoffgewinnung und dem Handel mit Rohstoffen. Dazu gehören nachwachsende Ressourcen wie Palmöl, Kakao, Kaffee aber auch solche die nicht unendlich verfügbar sind wie Erdöl, Erdgas, Kohle, Gold, Zinn und andere Edelmetalle.
Die indonesische Wirtschaft und die treibenden Finanzkräfte beziehen seit Jahren den größten Teil der Einkünfte aus dem Abbau und Handel mit diesen natürlichen Ressourcen. Die großen Gewinne werden mit dem Verkauf der Rohstoffe gemacht und nicht in der verarbeitenden oder produzierenden Industrie, die in Indonesien in weiten Teilen stark unterentwickelt ist. Kohle verkaufen, schnelles Geld verdienen ist einfach reizvoller als sich mühevoll um die Produktion von Alltagsgütern oder Anlagen zu fokussieren. So ist die Wirtschaft stark abhängig von Schwankungen an den Rohstoffmärkten und letztendlich auch von der Verfügbarkeit dieser Ressourcen.
Die Börse in Jakarta verliert an Vertrauen
Ein zweiter wichtiger Grundstein des Wachstums sind die Kapitalmärkte in Indonesien auf denen Unsummen von Geld bewegt werden und täglich „Mehrwerte“ geschaffen werden. Neben der vermehrten und freizügigen Vergabe von Krediten für Konsumenten und Unternehmen, lukrativen Anlagezinsen bei Bankkonten, spielt die Börse und der Handel mit Wertpapieren eine wichtig Rolle.
Dazu muss man sich ins Gedächtnis rufen, dass in Indonesien wie auch in anderen asiatischen Ländern Glückspiel einen großen Reiz darstellt schnell und einfach an viel Geld zu kommen. Da Glückspiel in Indonesien gesetzlich verboten ist, wird das Verlangen dem Spieltrieb nachzukommen seit Jahren einfach an die Börsen verlagert. Beim kleinsten Anzeichen einer Krise wird sofort verkauft und somit Wert vernichtet und ganze Länder in Krisen gestürzt.
Die Börse in Jakarta und die Zu- oder Abnahme Kapitalinvestitionen in Indonesien eignet sich somit eher zur Ableitung von Wetteifer der Asiaten als zu einer qualifizierten Aussage über die Lage der indonesischen Wirtschaft. Ohnehin tendieren indonesische Anleger derzeit dazu ihr Kapital im Ausland zu investieren um der hohen Volatilität der heimischen Märkte zu entkommen.
Alle Jahre wieder
Ein weiteres Phänomen, das von der Presse kaum beachtet wird, ist ein sich jährlich wiederholendes Ereignis, welches die Wirtschaft Indonesiens schwanken lässt. Gemeint ist der islamische Fastenmonat Ramadan bzw. das Ende des Fastenmonats. Während des Ramadan steigt die Konsumlaune der Bevölkerung in Indonesien regelmäßig stark an.
So wird in den Einkaufstempeln der Metropolen viel Geld für neue Kleidung, Lebensmittel, Geschenke und Luxusartikel ausgegeben. Dieser Konsumrausch steigert sich besonders in den letzten beiden Wochen des Ramadan und ist vergleichbar mit der Vorweihnachtszeit in Deutschland. Ebenso ist es seit Jahren die Regel, dass Preise für Lebensmittel in dieser Zeit ansteigen und somit die Inflation angeheizt wird. Aus diesen beiden Faktoren resultiert zum einen ein kurzfristiger Boom und kurz darauf eine „kleine Inflation“.
Verstärkt wird diese dann zum Ende des Ramadan, zu welchem die Mehrzahl der Indonesier aus den Städten „flüchtet“ um die Familie auf den Dörfern zu besuchen. Die Großstädte sind dann für ein bis zwei Wochen nahezu verwaist und somit sinkt auch der Konsum in den Großstädten auf nahezu Null. Der Konsum verlagert sich während dieser Zeit auf die ländlichen Regionen. In diesen Wochen boomen die traditionellen lokalen Märkte und der Umsatz kleiner lokaler Geschäfte. Das „große Geld“ der Städter verlagert sich aufs Land, die Realwirtschaft beginnt zu boomen, nur an einer anderen Stelle, die von Makroökonomen, aufgrund mangelnder Möglichkeiten nicht gemessen werden kann. Da die ländliche Bevölkerung nicht unbedingt die erzielten Einnahmen auf die Bank bringt, lässt sich schwer ersehen wohin die Gelder letztendlich geflossen sind.
Der nächste Faktor mit starken Einfluss auf die wirtschaftliche Lage ist die schrittweise Reduktion der Mineralölsubventionen in Indonesien, die bisher Kraftstoffe um 50% künstlich verbilligt hatten und somit die effektive Einführung erneuerbarer und alternativer Energien stark behinderten. Seit zwei Jahren wird in Indonesien diskutiert wie man eine stufenweise Abschaffung der Subventionen ohne gleichzeitigen Anstieg der Inflation bewerkstelligen kann. Seit beginn des Jahres 2012 werden die Subventionen nun schrittweise gemindert und somit steigen die Preise für Benzin, Diesel und Petroleum stark an.
Entwicklung für Indonesien-Experten wenig überraschend
Die aktuellen Entwicklungen in Indonesien sind für Experten alles andere als überraschend und waren durchaus vorhersehbar. Das die Medien einseitig berichten ist nicht neu und das übermäßig gute wie auch extrem schlechte Nachrichten die beste Auflage bringen, ist hinlänglich bekannt.
Was bleibt nun als Fazit übrig? Indonesien ist ein Land voller Chancen und voller Herausforderungen. Dies nicht nur für ausländische Unternehmen und Investoren, sondern auch für die lokale Politik und Wirtschaft. Das ist nicht neu. Indonesien ist mit Vorsicht zu genießen und nur, wenn man alles im Blick hat, kann man sich ein Bild davon machen, was wirklich vorgeht.
Generelle Aussagen auf der Basis makroökonomischer Daten lassen sich nicht machen. Hiermit lassen sich nur langfristige Trends ableiten und diese sind in Asien alles andere als langfristig vorhersagbar. Dazu entwickeln sich Länder wie Indonesien zu schnell und nach anderen logischen Kriterien als Länder in Europa.
Indonesien bietet weiterhin viele interessante Möglichkeiten für Geschäfte, wenn man sich auf die spezifischen Eigenheiten des Landes und der Wirtschaft einlassen will. Dabei sind Geschäfte in Indonesien nichts für Menschen mit Ungeduld oder schwachen Nerven. Erfolge erzielt man in Indonesien nur langfristig und mit viel Ausdauer.
Indonesien wirkliche Probleme liegen an anderer Stelle
Indonesien hat viele Probleme (Stichwort: Infrastruktur, Korruption), von denen es einige bewältigen wird und einige mit denen man Leben muss. Indonesien ist kein „Entwicklungsland“, sondern ein Land, das sich weiterentwickeln muss.
Dabei muss eine Transformation von der Betrachtung als Rohstoffquelle zu einer Diversifizierung der Industrie führen. Leider lassen sich hier die Gewinne nur langfristig erzielen und man muss erst Geld in die Hand nehmen, bevor man Geld verdienen kann. Diese Vorgehensweise kommt der derzeit vorherrschenden Konsumlaune und Schnelllebigkeit leider nicht entgegen. In Indonesien will die Mehrzahl der Bevölkerung schnell und vor allem viel Geld ohne große Mühen verdienen. Man will Status haben, den Lebensstil verbessern und konsumieren. Ist das Geld nicht vorhanden, besteht für beinahe jedes Gut die Möglichkeit, einen schnellen Kredit aufzunehmen. Reichen die Gelder nicht mehr aus um die teils horrenden Tilgungsraten zu bezahlen werden andere schnelle Einnahmequellen gesucht, egal ob legal, halblegal oder illegal.
Die Wirtschaft wächst auf Basis von Schulden und werden diese einmal nicht mehr bedient, könnte es sehr schnell zu einer dramatischen Rezession kommen (Bespiele: USA / Spanien). Das dieses Umfeld auch das Thema Korruption fördert, ist wohl mehr als deutlich. Indonesien braucht in den nächsten Jahren mehr als Wachstum. Wichtig ist ein Culture Change im Bezug auf Werte und Nachhaltigkeit. In vielen Teilen der Bevölkerung ist dieser Veränderungsprozess bereits zu beobachten und Stimmen werden laut diese Veränderung aktiv anzustoßen. Summa sumarum bleibt abzuwarten wie sich Indonesien in den nächsten Monaten entwickelt.
Ein weichenstellendes Ereignis werden dabei die Präsidentschaftswahlen 2014 beziehungsweise der Ausgang sein.
Entweder das Land geht auf einen immensen Boom zu oder es kommt zu einem Big Bang.